Gestatten, Herbert Tropfnass, Spediteur...oder wie man hierzulande sagt: "Trucker".
Se kennen mich nich? Macht nix, das kommt schon.
Wissen se, ich wollt immer mal die Route 66 befahren, "The Mother-Road" wie man so sagt. Mit 'nem Truck, wissen Se. Nich mit 'nem Bike, wie die meisten anderen. Oder mit nem Auto - dat wär' wie 'n Spezi. Nich' dat Bier, nee - ich mein das Cola/Fanta-Gesöff- nich' Cola, nich' Fanta. Also nix halbes und nix ganzes. Nee, die Route 66 gehört mit nem Truck befahren, 'nen richtigem "American Truck".
Un' deswegen bin ich hier. Un' wissen Se wat? Ich will die Route mit 'nem eigenen Truck fahr'n. Nich' mit so'n Leasing-Ding von Sechst oder wie das heisst- mit meinem eigenen American Truck.
Nun sind die Dinger auch nich' grad an jeder Strassenecke zu kriegen, wissen Se? Un' die Preise, also neee. Hab versucht, 'nen gebrauchten zu kriegen. Alter Verwalter, also neee, dat wär bei uns daheim niemals durch'n TÜV gekommen. Die Reifen - also, ich sach Ihnen, der Schumacher hätte die gebrauchen können, so glatt waren die. Der Vettel auch...oder war das die Vettel? Ich komm' da immer durcheinander...
Hab das Dingen mal kurz angemacht...Alter Verwalter, dat war, als hättste die Sonne ausgemacht, so dunkel war dat uff eenmal. Da kam ne schwarze Rauchwolke aus den Rohren - also nee, mit Kohle wollte ich dann doch nicht fahren. Un' dann de riiesige Motorhaube, also neee. Wissen Se, wenn Se mal wie ich mit vernünftigen europäischen Trucks gefahren sin', dann werd'n Se mir zustimmen - man guckt ausser Frontscheibe und sieht den Asphalt direkt vor sich. Bei den Amis - also nee, da habense uff eenmal so'n riesigen Kasten vor sich. Wie soll man da denn den Abstand zum vor einem fahrenden Auto vernünftig abschätz'n könn'n, frag' ich Se. Oh, dat wird mir noch zu schaffen mach'n. In Europa, mit unseren Frontlenkern, also da wusste man - sieht man das Dach vom Auto vor einem nich mehr, sondern nur noch die Motorhaube, is' man zu nah dran. Aber bei den Amis mit dem Kasten hier - nee, also nee, wenn dich da dat Dach vom Auto nich mehr sehe, dann bin ich nich' zu nah dran - dann hab ich noch 100 Meter Luft zwisch'n uns. Herbert, dachte ich mir, Herbert, dat wird dir noch Probleme bereiten.
Richtig aus 'n Latschn gekippt bin ich dann aber, als der Verkäufer mir den Preis genannt hat - 50000 Dollar für die alte Rostlaube. Also nee, sach ich Ihnen - wie soll ich armer, alter Trucker aus Europe denn so 'ne Summe haben. Bin dann kopfschüttelnd wech gegangen - soviel hättste nich mal mit der Abwrackprämie gekriecht. Bin dann zu 'nem seriösen Neuwagen - ne, Neu-Truck-Händler gegangen. Alter Verwalter - 'nen Herzinfarkt hab ich fast gekriecht: Sein Schnäppchen sollte über 100.000 Dollar kosten. Un' das war noch dat billigste Dingen da - nee, sach ich Ihnen....also nee.
Herbert, sachte ich mir draussen, so kommst du nie auf die Route 66 mit 'nem eigenen Truck. "Was tun, sprach Zeus", dachte ich mir. Ne Bank ausrauben? Ne, dat würd' nix werden. In den alten Lehrfilmen, die ich mir als Einstimmung angesehen habe, kamen immer die Sheriffs oder Marshalls und verfolgten einen auf'n Pferd quer durch die Prärie, und wenn se dich mal gestellt haben, gibt's immer 'n Duell mit den Schiesseisen - ne, Herbert, bei deiner Reaktionszeit, das wird nix, da guckste die Radiesschen von unten an - oder was immer hier wächst. Und ausserdem: In Texas gibt's da nen Ranger oder so namens Walker, der ist echt gefährlich. Stellense sich mal vor, da rauben Se ne Bank in Californien aus, preschen nach Osten Richtung Texas, da steht dann an der Grenze so ein Typ, der wie Tschaknorris aussieht und haut sie mit nem Rounhouse-Kick um. Nee, nee, Herbert, dat wird nix.
Glückspiel vielleicht? Poker soll ja sehr beliebt hier in America sein....ne, Herbert, dat lass mal, da wird immer geschossen. In den alten Filmen zumindest. Wenn man da im Saloon eine Karte zur falschen Zeit zieht, kommen die gleich mit dem Schiesseisen, und ich kenn meine Reaktionszeit. Nee, Herbert, dat wird auch nix.
Also gibt's nur eines, Herbert - du musst wieder arbeiten. Arbeite hart, verdien' Geld, dann kannste dir auch wat leisten - hatte schon mein Urgrossvater gesacht.
Nun müssen Se wissen, dass ich bei dem Gedanken nich' grad vor Tatendrang dürstete. Wissen Se, ich bin Rentner. Hab in Europa lang als Trucker gearbeitet, hab die Kilometer mehr als meine Kehrseite geschrubbt, hab mehr Diesel als Rasierwasser im Gesicht gehabt. Hab mir dabei den Ar....den Hintern aufgerissen, um mein Auskommen zu haben.
Hab ne kleine Firma gehabt, ein paar Leute angeheuert, die für mich gefahren sind (ach, wissen Se, diese jungen Leute von heute, die arbeiten nich' richtig. Wissen Se, ich hab mit meinen Touren drüben ständich so um die 70.000 Euro eingefahren - da kommt dann so 'ne Ruth G. oder 'n Pavel K. oder wie de auch heissen, ich kann mir die Nachnamen nich merken, ich kürz die immer so ab - die kamen dann an und sagten stolz, sie hätten mit eener Tour mal eben 12.000 Euro gemacht. 12.000 Euro - die hab ich gekriecht, nur weil ich vom Parkplatz runtergefahren bin, wissen Se? Ach, nee, sach ich Ihnen...).
Und kaum lief die Firma, wollte ich mich zur Ruhe setzen. War 'n Fehler, da seh' ich heute ja ein - aber damals, wissen Se, da war das richtich verlockend. "Alter schützt vor Torheit nicht", das hat Ur-Opi immer gesagt, und so kam, was kommen musste - ich hab die Firma verkauft. An so'n jungen Schnösel, Torsten H. hiess der. Nich grad für'n Appel un' 'n Ei, nee, da waren schon mehr Eier dabei. Aber ich glaub nich, dat der dat lange macht. Wissen Se, ich hab mal, kurz bevor ich den Flattermann gemacht habe, mitgekriegt, wie der 'nen Fahrer angeschissen hat, der beim Kunden nich' richtig eingeparkt hat.
Wissen Se, was der dem Fahrer gesacht hat? Dat glooben Se nich, dat sach ich Ihnen. Er hat dem Fahrer gesacht, er solle die F-2-Taste am Bordcomputer drücken, damit die Aussen-Kamera angemacht werden würde, damit könne der Fahrer richtig Klasse einparken, er selber würde das immer so machen. Glooben Se, was Se wollen - 'n richtiger Trucker fährt über Spiegel rückwärts. Allenfalls lässt er sich von 'nem Kollegen einweisen, aber mit dem Technik-Schnick-Schnack - also nee, ich sach Ihnen, das hätte ich nie gemacht. Wissen se wat? Ich gloob, der Typ hat das Truckern am Computer gelernt, echt. Nee, nee, nee.
So, dat is nun die Ausgangslage. Ich allein in Amerika, in San Djego oder wie das Kaff hier heisst. Ganz unten, und dat nich nur auffer Karte. Aber - ich bin Herbert Tropfnass, ich lass mich nich' unnerkriegen. Un' wenn ich von ganz unnen wieder anfangen muss, dann mach ich das.
Bin dann zu 'ner Spedition gegangen, und gefragt, ob die noch Trucker such'n. Da war so 'n alter Opa am Tresen, also nee. Wissen Se, ich bin ja schon alt, bin ja Rentner. Aber der da, ich gloob, der hat Washington noch persönlich gekannt, so alt war der. Und richtig sehen konnte der auch nich' mehr, wissen Se. Als ich im gesacht hab, dass ich "from good old germany" bin, meinte der nur "Kraut!". Wissen Se, ich hab da 'n Wörterbuch dabei, ich bin ja nich doof. Hab das Wort nachgeschlagen: "Crowd", ausgesprochen "Kraut", bedeutet "Menge". Wissen Se, wer da vor dem alten Knacker stand? Nur ich. Nix mit Kraut, keine Menge - nur ich. Der Opa hat se nich mehr alle, wissen Se.
Und dann die Krönung, aber nicht die von Isaacs oder wie dat heeßt. Meine erste Tour, wissen Se, wo die hinging? Nich von San Djego nach San Fran Sisko oder wie dat Kaff heest - nee, von San Djego nach...San Djego. Ich alter Trucker mit 'nem halben Jahrhunnert Erfahrung soll ne Baby-Tour fahren, können Se sich dat vorstellen? Nee, ne? Aber wat ich für ne Laune hatte, dat können Se sich ja denken, ne? Alter Verwalter, und das mir in meinem Alter. Nee, nee, nee. Und dann noch dat Grinsen von dem Ötzi da, ne - also, ich war kurz davor, dem die Prothese aus dem Mund zu reissen und zwei Corega-Tabs ins Maul zu stopfen, so fuchsich war ich. Dicke Backen hätte der gemacht, dat sach ich Ihnen.
Aber denen zeige ich, was ein alter Euro-Trucker ist. Hab dann die Tour angetreten und bin zum Kunden gefahren. Alter Verwalter, was soll ich sagen? Ganz San Djego scheint voll von so aufgeblasenen Typen zu sein. Meinte der doch glatt, ich könnte den Auflieger einfach so am Tor stehen lassen, wenn ich es eilig hätte.
Alter Verwalter, dass hätte es drüben in Europa nicht gegeben. Wenn du da zum Kund'n gefahr'n bist, musste der Auflieger da abgestellt werd'n, wo der Kunde ihn hinhaben wollte. Am Tor abstellen? Da wär die Tour nie fertich geworden, dat hättste nie abrechnen könn'n. Nee, dat Aufliegerchen muss anne Rampe. Dat hab ich dem Pförtner da auch klar machen wollen - so richtig verstanden hat der mich aber nich, gloob ich. Wissen Se, dat Deutsch beinah Amtssprache in Amerika geworden wäre? Da hätte der Pförtner aber schlechte Karten gehabt, der konnte nämlich keen Deutsch. Und da mein Amerikanisch auch nicht so gut war (ich wollte in Europa eigentlich nen Kurs in Amerikanisch in der Abendschule machen, aber glauben Se, dat wird überhaupt angeboten? Englisch überall, aber nirgendwo Amerikanisch. Komisch, nich?), hab ich halt so'n Misch-Masch gesprochen.
Aber damit kam der Typ auch nich zurecht. Ich gloob, der wollte mich schnell loswerden, weil er was davon sagte, ich könne den Auflieger auch auf den Platz stellen. Können Se sich dat vorstellen? Machen Se dat mal als Euro-Trucker, der Kunde würde Ihnen dann aber wat sagen, ich sach et Ihnen. Dat hab ich mal gemacht, als Jungspund, damals, zu Kaisers Zeiten...oder zumindest kurz danach. Hab da ne Lieferung einfach beim Kunden auf dem Hof abgestellt, weil der so eine besch....besch....bescheidene Rampe hatte, an die ich nich rankam. Hab dann mit den Hof-Kutschern dort abgemacht, dass ich den Hänger einfach auf den Hof abstellen würde. "Machs du nich", haben se gesacht. "Mach ich doch", sachte ich. "Gibt Ärger, wennde dat machst", haben se gesacht. "Mir schietegal", sachte ich, und bin abgehauen. Dat Ende vom Lied - Scheff rief mich zu Hause an und schrie ins Telefon, was mir einfallen würde, eenfach den Hänger abzustellen, der Kunde hat die Ware als verspätet deklariert, wir hätten Strafe zu zahlen, die sollte ich abarbeiten, Urlaub gestrichen, un' so weiter, ach, ich sach et Ihnen. Seit damals wusste ich - Ist der Hänger oder Auflieger nicht an der Rampe oder an 'nem bestimmten Platz, kriegste keene Kohle.
Und genau das hab ich dem Pförtner ooch gesacht - nun ja, ich habs versucht. Aber Se wissen ja, det Amerikanisch, dat kann ik noch nich so gut. Er wurde auf jeden Fall böse, und zeigte mit einem breiten, gehässigem Grinsen auf die Rampe ganz hinten in der Ecke.
Wissen Se, man sacht, der Mensch hätte 32 Zähne. Wissen Se, wenn ich die Zeit und die Lust gehabt hätte, seine zähne zu zählen, ich wäre auf mehr gekommen, so breit war sein Grinsen. Aber endlich, wir schienen eine Sprache zu sprechen - es ging an eine Rampe. Es war eng, dat muss ich zugeben. Aber mal ehrlich, sind Se mal in Europa mit nem Auflieger nach Schweden gefahren? Ich sach Ihnen, dagegen sind die Ami-Rampen ne Lachnummer. Mal eehrlich, da gibbet in Schweden Ecken, da musste rückwärts vonner Autobahn quer durch ne Stadt fahren, damit de beim Kunden den Auflieger abstellen kannst. Aber hier, in Amerika? Dat "Hell-Gate", wie die Type sachte? Ne Lachnummer, hab ich zwee Minuten für gebraucht. Ranfahren, kurz Lage abchecken, vorziehen, dabei leicht schon mal einschlagen, Rückwärtsgang rin, einmal kurz für Korrektur vorziehen und ran anne Rampe. Feddich.
Dat Gesicht von der Type hättense sehen müssen, also nee. Mit offenem Mund stand der da, hat noch nich mal gemerkt, dat da drei Fliegen reingeflogen sind. Oder vielleicht doch, er hat kurz dat Maul zugemacht und geschluckt und anschliessend wieder dat Maul aufgemacht. Wie so'n Wal oder Tigerhai, der dat Plankton im Meer frisst, wissen Se?
Bin dann wieder zurück inne Firma. Wissen Se, wat der Chef gesagt hat? Nix, der hatte dat Maul genauso wie der Typ beim Kunden offen. Muss hier so Mode sein, vielleicht färbt die Nähe zum Meer und den Tigerhaien auf die Leute hier ab. Aber von da an ging's etwas bergauf, meine nächste Tour ging von San Djego nach Los, angel es....Oder wie dat Kaff da heest.
Aber wissen Se wat? Dat berichte ik Ihnen nächste Woche, ne? Munter bleiben.