Dank Anno habe ich letzte Nacht bis 04:00 Uhr in der Früh durchgehalten. Ein weiterer Dank geht an den Erfinder des „Bitte nicht stören“-Schildes,
dass die Putzfrau davon abgehalten hat, mich zu wecken. Und so ist es bereits 14:00 Uhr, als ich endlich aufwache. Als erstes taste ich
nach meinem Handy, aber es ist noch keine SMS angekommen. Noch völlig schlaftrunken stapfe ich ins Bad und versuche wach zu werden.
Anschließend packe ich mein Zeugs zusammen, checke aus und verfrachte meine Sachen in meinen LKW. Da ich noch gute 6 Stunden Zeit
habe, bevor ich mich auf den Weg nach Neubrandenburg machen darf, gehe ich erneut in die Stadt und suche mir ein hübsches Cafe, indem
ich die Sonne genießen und einen guten Cappuccino trinken kann. Ich bin gerade dabei die Location zu wechseln, um mich mit einem leckeren
Abendessen für die kommende Nacht zu stärken, da bekomme ich eine SMS von Marie:
Hallo Schosch! Sorry,
ich bin gestern Abend direkt tot ins Bett gefallen, als ich nach Hause kam und
muss jetzt schon wieder los. Hast du gut geschlafen? LG Marie
Scheinbar war gestern viel los im Brauhaus und da sie jetzt wieder arbeiten ist beschließe ich, ihr später zu antworten. Nach einem ausgiebigen
Abendmahl mache ich mich auf den Weg zurück zum Hotel. In meinem Iveco angekommen, mache ich mir gar nicht erst die Mühe, alles wieder
ordentlich zu verstauen, da ich morgen eh alles ausräumen muss und schreibe Marie lieber eine SMS:
Hallo Marie!
Ich hoffe, deine Schicht war heute nicht so schlimm wie gestern.
Ich wünsche dir eine gute Nacht!
LG Schosch
Dann drehe ich den Zündschlüssel um und mache mich auf den Weg zu der Firma, wo ich den Trailer mit den Elektrogeräten übernehmen soll.
Die Firma hatte ich schnell gefunden, allerdings war der Mitarbeiter dort nicht gerade einer der Schnellsten. So ist es bereits kurz vor 23:00 Uhr,
als ich mich endlich mit dem letzten Trailer für meinen Iveco auf den Weg mache. Bei dem Gedanken daran, werde ich etwas wehmütig. Er ist zwar
kein Kraftprotz, und besonders viel Komfort hat er auch nicht zu bieten, aber immerhin war er mein erster Truck. Andererseits bin ich schon total
gespannt, was ich wohl als nächstes für eine Zugmaschine bekomme. Jürgen macht ja nicht um sonst so ein Geheimnis daraus.
Ich habe die Ortsgrenze von Stralsund gerade hinter mir gelassen, da werde ich von einer SMS aus meinen Gedanken gerissen:
Hallo Schosch!
Heute war zum Glück nicht viel los. Und morgen hab ich frei.
Ich wünsche dir auch eine angenehme Nacht!
LG Marie
Die angenehme Nacht werde ich haben, denn so leer wie in der Nacht von Sonntag auf Montag sind die Straßen sonst nie. Und so erreiche ich
nach knapp 2 Stunden Fahrt meine Abfahrt.
Die Abfertigung in Neubrandenburg ging ruck zuck, da ich hier ja nur den Trailer abliefern und keinen neuen Auftrag entgegen nehmen musste.
Nach einem kurzen Plausch mit dem Lagerarbeiter mache ich mich auf die nun endgültig letzte Tour mit meinem Iveco.
>>So ein schicker MAN würde mir gefallen!<< denke ich mir, während ich an ihm vorbei ziehe. Aber ich will mir keine falschen Hoffnungen
machen. Bis ich so einen Arbeitsplatz mal bekomme, werde ich bestimmt erst noch einige Tausend Kilometer hinter mich bringen müssen.
Als ich um kurz nach 05:00Uhr auf den Hof des Käufers rolle, ist hier weit und breit noch niemand zu sehen. Ich parke am Rande des Geländes
und fange schon mal an, meine Sachen zusammen zu packen. Anschließend vertreibe ich mir noch ein bisschen die Zeit mit Anno, bis um kurz
vor 07:00Uhr die ersten Mitarbeiter eintreffen. Einer von Ihnen kommt direkt auf mich zu und als ich ihm erklären will, warum ich hier bin winkt
er ab >>Ich weiß schon bescheid. Der Chef kommt gleich.<< Und tatsächlich, nur ein paar Minuten später steht ein Mann im Anzug vor meiner
Tür und bittet mich, mit in sein Büro zu kommen. Bei einer Tasse Kaffee übergebe ich ihm den Fahrzeugschein und die Schlüssel und wir plaudern
ein bisschen. Als ich ihm erzähle, dass ich beim örtlichen Händler gleich meinen neuen Truck abholen soll bietet er mir an, meine Sachen erst mal
noch in dem Iveco zu lassen. >>Kommen Sie anschließend einfach mit ihrem neuen LKW wieder her, dann können Sie alles direkt umladen.<<
Dieses Angebot nehme ich dankend entgegen und nachdem er mir den Weg erklärt hat, mache ich mich zu Fuß auf den Weg.
Auf dem Weg zum Händler ruft Jürgen an: >>Und, hast du ihn schon abgeholt?<< fragt er direkt ohne guten Morgen zu sagen. >>Mensch Jürgen,
du bist ja noch aufgeregter als ich!<< er lacht. >>Nein, ich bin nur auf deine Reaktion neugierig! Meld dich, sobald du ihn hast, Ciao!<<
Na danke Jürgen, als wäre ich nicht schon aufgeregt genug, muss er es noch spannender machen.
Als ich den Händler erreiche, kommt mir dieser bereits auf dem Hof entgegen. Scheinbar wurde ich bereits erwartet. >>Sie müssen Herr Kasper sein,
der Fahrer von Stokes!<< Ich nicke nur. Und als sich der Verkäufer umdreht mit den Worten >>Das ist er!<<, fällt mir die Kinnlade runter …
Es dauert ein Weilchen, bis ich den Mund wieder zu kriege. Ein Scania ist zwar noch kein MAN, aber im Vergleich zum Iveco schon eine Verbesserung.
Er ist auch ein LKW der sogenannten „C-Klasse“, aber immerhin mit 470 Pferdestärken und die Lackierung sieht auch ziemlich cool aus. Ich will
gerade auf den Scania zugehen, da meint der Verkäufer >>Lassen Sie uns doch erst mal in mein Büro gehen und den Papierkram erledigen. Danach
bekommen Sie von mir die Schlüssel und Sie können sich ihren neuen Arbeitsplatz in aller Ruhe anschauen.<< Bei einer weiteren Tasse Kaffee unter-
schreibe ich die Papiere und bekomme den Fahrzeugschein und die Schlüssel ausgehändigt. Nachdem er mir dann in meinem neuen LKW alles gezeigt
und erklärt hatte verabschiedet er sich mit den Worten >>Gute Fahrt!<< und verschwinden wieder in seinem Büro. Ich lasse mich in meinen Sitz sacken,
krame mein Handy hervor und rufe Jürgen an.
>>Naaaaaaaa?!?!?!<< schallt es mir entgegen, bevor ich etwas sagen konnte.
>>Die Überraschung ist dir gelungen! Ich kann es kaum erwarten endlich los zu fahren!<<
>>Das freut mich, und den Chef garantiert auch! Dann fahr mal zurück zu der Firma, wo du den Iveco abgegeben hast. Dort kannst du deinen nächsten
Trailer aufsatteln und deine neue Maschine gleich mal einem Belastungstest unterziehen!<<
Ich drehe den Schlüssel um und mache mich sofort auf den Weg.
Während ich gerade dabei bin, meine Sache aus dem Iveco umzuladen und zu verstauen kommt der Chef der Firma auf mich zu. >>Na das ist doch
mal ein guter Tausch!<< Ich antworte im nur mit einem breiten Grinsen. Danach zeigt er auf den Trailer, den ich als nächstes fahren soll.
Jetzt weiß ich, was Jürgen mit „Belastungstest“ gemeint hat. Ich soll diese Ladung Eisenrohre nach Kiel bringen und der Weg dorthin wird
mich nur über Landstraßen führen. Aber ich liebe ja Landstraßen. Von heute Nacht habe ich noch 3 Stunden Lenkzeit übrig, und so mache
ich mich sofort auf den Weg. Wenn ich Glück habe, schaffe ich es sogar noch bis Kiel.
Ich hätte es eigentlich besser wissen müssen, dass Kaffee bei mir immer gleich auf die Blase drückt. Nach ein paar Kilometern habe ich keine
andere Wahl und muss am Straßenrand stehen bleiben und kurz hinter meinem Trailer verschwinden. Zum Glück bin ich auf der Landstraße
unterwegs, auf der Autobahn wäre das nicht möglich gewesen, ohne ein saftiges Bußgeld zu riskieren.
Nach dieser kurzen Unterbrechung rolle ich weiter Richtung Kiel. Die 110PS, die ich jetzt mehr unterm Hintern habe, merkt man stärker als
ich dachte. An Steigungen verliere ich zwar immer noch an Schwung, aber bei weitem nicht so schlimm, wie es beim Iveco gewesen ist.
Ich habe es tatsächlich geschafft und erreiche meinen Kunden vor Ende meiner Lenkzeit um 13:00Uhr. Ich stelle den Trailer an der Rampe ab
und parke bei den Kollegen am Zaun. Nachdem ich die zweite Tasse Kaffee auch noch weggebracht habe rufe ich Jürgen an und erfahre von ihm,
dass ich als nächstes Autoteile nach Bremen fahren soll. Ich habe es mir gerade in meiner Koje gemütlich gemacht als mir einfällt, dass ich
schon lange nicht mehr auf mein Handy geschaut habe…
Hallo Schosch!
Na, immer noch am Schlafen? Ich bin schon seit 7 wach.
Bist du eigentlich noch lange auf Geschäftsreise?
LG Marie
Gesendet um 09:13Uhr … Ups! Und Sie denk ich bin auf Geschäftsreise!? Kein Wunder, ich habe ja auch noch nicht erzählt, was ich beruflich mache.
Irgendwie habe ich auch ein wenig Angst davor, ihr das zu sagen. Ist für eine Frau bestimmt nicht gerade der Traumberuf für einen männlichen Partner.
Deswegen antworte ich ihr:
Sorry! Heute war echt viel los.
Ich weiß noch nicht, wann ich wieder zurück in Nürnberg bin.
Hoffe aber sehr noch diese Woche.
LG Schosch
Ich weiß, irgendwann werde ich es ihr erzählen müssen, aber im Moment bin ich noch nicht dazu bereit. Während ich versuche einzuschlafen mache ich
mir darüber Gedanken, wann und wie ich ihr das am besten beibringen könnte.
Ich habe so tief und fest geschlafen, dass ich die nächste SMS von Marie wieder nicht mitbekommen habe. Dabei hatte ich mein Handy extra
lauter gestellt.
Macht doch nix!
Wenn ich am Arbeiten bin, kann ich dir auch nicht schreiben.
Schade, dass du noch nicht weißt, wann du wieder zurück bist!
LG Marie
Marie scheint ja sehr verständnisvoll zu sein, aber jetzt ist es bereits 23:00Uhr! Bei was für einer Geschäftsreise hat man von 13:00 bis 23:00 Uhr
keine Zeit mal kurz ne SMS zu tippen?! Deswegen beschließe ich, es hier jetzt doch zu erzählen, bevor es zu Mißverständnissen kommt. Wenn sie ein
Problem mit meinem Beruf hat spielt es keine Rolle, wann sie es erfährt:
Hallo Marie!
Geschäftsreise ist nicht ganz richtig. Ich bin LKW-Fahrer im Fernverkehr und habe
letztes WE leider keine Tour zurück nach Nürnberg bekommen. Und vorhin musste
ich meine Ruhepause machen, weil ich die ganze Nacht durchgefahren bin. Sorry,
dass ich es dir nicht vorher erzählt habe!
LG Schosch
Mir fällt zwar ein Stein vom Herzen, dass ich ihr das jetzt geschrieben habe. Aber jetzt werde ich vermutlich die ganze Nacht mit Ungewissheit
verbringen müssen wie sie darauf reagieren wird, denn mittlerweile ist es 23:30Uhr und sie schläft bestimmt schon. Und so mache ich mich mit
einem komischen Gefühl im Bauch auf den Weg nach Bremen.
Die Fahrt nach Bremen verlief ohne Probleme und so erreiche ich mein Ziel mitten in der Nacht. Marie hat sich nicht mehr gemeldet. Ich hasse
dieses Gefühl der Ungewissheit! Schläft sie oder hat sie jetzt kein Interesse mehr? Ich sollte mir echt mal abgewöhnen, mir immer so viele
Gedanken um Dinge zu machen, auf die ich eh keinen Einfluss habe. Das hat mich bei meiner Ex-Frau schon viele Nerven gekostet und was hat
es mir gebracht? … Nix!
Von Bremen geht es weiter mit einer Ladung Erz nach Bergen auf Rügen. Also wieder über Hamburg in Richtung Rostock. So früh am Morgen ist
die Autobahn noch leer und wenn es so bleibt, könnte ich es wieder bis kurz vor Stralsund schaffen.
Es ist mittlerweile 08:15Uhr und Zeit für meine nächste Pause. Als ich den Blinker setze fällt mir auf, dass das die gleiche Tankstelle ist, an der
ich letzte Woche die erste SMS an Marie geschrieben habe. Nachdem ich getankt habe, parke ich auch noch auf dem gleichen Parkplatz wie am
besagten Tag. Bis jetzt habe ich noch keine Antwort bekommen. Sollte die Geschichte mit Marie dort aufhören, wo sie angefangen hat?
Fortsetzung folgt ...